Ich bin ein Fan von ebay Kleinanzeigen. Ich kaufe und verkaufe eigentlich meistens darüber, weil ich keine Lust auf Versteigerungen à la „1…2….3…meins“ habe. In den Kleinanzeigen ist es wie früher in der zweiten Hand, nur viel praktischer. Es gibt Fotos, Merklisten und Filterkategorien, die mir nur Ergebnisse aus meinem Bezirk zeigen. Und das Allerschönste: Man lernt allerlei skurrile Menschen und Orte kennen.

Neulich wollte ich Steine als Beetbegrenzung kaufen und landete in einem Hinterhof in Weißensee. Ein albanischer Bildhauer hat sich dort eine Remise als Atelier eingerichtet und verkauft ab und zu einige Reststeine über ebay. Er führte uns durch seine Kunst, grinste dabei einzähnig in sein bärtiges Gesicht und versuchte wirklich sehr intensiv, uns die Geschichte seines Landes nahezubringen. Leider hatte er in uns keine Ex-Jugoslawien-Kenner gefunden und sein Deutsch war etwas bröckelig. Dennoch war die Erfahrung wunderbar und seine bearbeiteten Steine gefielen mir teilweise sehr. Wenn ich jetzt auch noch seinen Namen wüsste, würde ich ihn sehr gern verraten.

Wer einmal eine Mango aß

Oder gestern meine Erfahrung der dritten Art mit einem Katzenfreund, der Kätzchen abgibt. Erstkontakt über ebay-Kleinanzeigen und dann ein Telefonanruf von ihm, während ich gerade im Liegestuhl am Pool in Portugal lag. Der Stimme nach stellte ich mir einen ungefähr 70-jährigen älteren Herrn vor, der schon etwas tüddelig ist. Wir verabredeten einen Katzen-Kennenlern-Termin für gestern. Kurz bevor wir losfahren wollten, hatte er noch eine Nachricht hinterlassen, dass er sich gerade die Frage stelle, was denn sei, falls die Katzen gerade schlafen würden. „Na, aufwecken, halt“, dachte ich bei mir und ignorierte die Nachricht. Dann rief er nochmal an, als wir schon auf der Autobahn waren, um mich zu fragen, ob wir Mangos mögen würden. Fand ich zwar auch seltsam die Frage, aber klar, mögen wir Mangos.

Nach über einer halben Stunde Anfahrt aus Niederschönhausen nach Steglitz standen wir dann endlich vor der Haustür und klingelten. Lange tat sich nichts, dann tauchte ein dünner Mann mit weißen buschigen Augenbrauen, Hawaihemd, kurzer Hose und nun…äh… „kaffeefarbenen“ großen Zähnen auf. Er war um die 50, klang aber durch seine Art zu sprechen wie ein lieber Opi, der durch das lange Alleinleben irgendwie seltsam geworden ist. Verschwörerisch stoppte er uns vor seiner Haustür und erläuterte uns erstmal die Lage. Also die Kätzchen hätten sich gerade verkrochen. Aber wenn wir jetzt ganz leise hinein gehen und mit ihm zusammen warten würden, dann tauchten sie vielleicht wieder auf. Dann öffnete er seine Haustür und ich wich erstmal erschrocken einen Schritt zurück. Eine Mischung aus Katzenpipi und -kaka, Staub und alten Möbeln schlug uns entgegen. Und das noch verstärkt durch die drückende Hitze, die in der Luft lag.

Wir passierten einen dunklen Flur und gingen an der angelehnten Küchentür vorbei. Ich warf nur einen kurzen Blick hinein, konnte aber erkennen, dass dort eine Unmenge von Dingen über-, neben- und untereinandergestapelt gelagert war. Darunter mindestens 50 verschiedene Gewürzdosen allein auf dem Küchentisch. Ein weiterer Blick in das „Büro“, offenbarte eine große, nervöse Katze wie sie vom Schreibtisch heruntersprang und sich irgendwo unter ein Möbelstück verkroch.

Stapelkunst

Dann gingen wir weiter ins Wohnzimmer, das wie aus der Zeit gefallen schien. Ein alter Kachelofen, beklebt mit Fotos von afrikanischen Menschen und einer jüngeren Version des weißhaarigen Mieters im Raum. Verschiedene verstaubte Zupfinstrumente an der Wand. „Auf keinen Fall berühren“ warnte ein Schild, das an einem Faden daneben hing. Das Sofa mit Plüschkissen und abgewetzter Sitzfläche, zwei Sessel, die intensiven Kontakt mit verschiedenen Katzengenerationen gehabt haben mussten, da sie eigentlich nur noch aus vollkommen verfranzten Textilresten bestanden. In einer Galerie wären die Armlehnen ohne Probleme als „moderne Kunst“ durchgegangen.

Jede Ecke des Raumes war vollgestellt. Hier ein gefährlich wankender Stapel mit alten Schallplatten, darauf ein Plattenspieler mit dem Staub der letzten 20 Jahre auf dem Deckel. Auf dem Kachelofen ein uraltes Filmvorführgerät mit eingespannten Spulen (vor Staub ganz flusig), ein Bett mit Fransenüberwurf aus ehemals gelbem Material und darauf wieder eine Unmenge von Dingen, die nicht näher zu bestimmen waren. Sie bildeten irgendwie ein einziges Kunstwerk, das nie mehr in seine Einzelteile zerlegt werden konnte. Und in der Mitte von all dem ein Tisch mit gestickter Blümchentischdecke, geblümten Tellern und vier Schalen mit Mangos, Brombeeren, Himbeeren und Blaubeeren. Dies war der einzige Ort im Raum, der irgendwie sauber und einladend aussah. Von Katzen leider keine Spur.

Tja, die Katzen würden halt immer eine Stunde spielen und dann eine Stunde schlafen und sich dann irgendwohin verkriechen. Soso. Mittlerweile verstand ich die Nachricht auf dem AB. In dieser Wohnung war es unmöglich, zu sehen, wo sich Katzen versteckten. Es gab einfach zu viele Möglichkeiten. „Aber ich habe vorgesorgt und einen Film von den Katzen gedreht!“ Erst jetzt bemerke ich einen hochmodernen, glänzenden Philips-Fernseher und das daran angeschlossene ebenfalls neue tablet mit USB-Stick. Ich bin verwirrt, denn das passt überhaupt nicht zum Rest der Wohnung. Es wirkt fast so, als wäre da eben ein UFO gelandet, hätte kurz zwei Geräte aus der Zukunft mitten in den 40er/ 50er-Jahren abgestellt und würde sie dann auch bald wieder abholen.

Der Hausherr und ich gabeln Mangos und Brombeeren und versuchen, unsere Arme möglichst nirgendwo aufzulegen. Dabei blicken wir gebannt auf den Bildschirm, wo vier kleine, schwarzweiße Kätzchen zu sehen sind, wie sie auf einem vollkommen dreckigen Fußboden herumtollen. „Öh, ja, also ich hatte mich ja auf Ihren Besuch vorbereitet und ein bißchen saubergemacht. Aber als ich den Film gedreht habe, da war es hier noch etwas schmutzig…“, murmelt der Katzenmann. Verstehe.

Der Katzenfilm ist wirklich gut, stelle ich fest. „Hab ich mit nem Camcorder gedreht!“ Irgendwie passt das alles nicht zu meinem Klischeebild, das ich doch schon längst fertig hatte, als ich die Wohnung betrat. Aber der Katzenfilm ist gut. Ist er wirklich. Fast so schön wie die Katzenvideos, die ich mir ständig auf Facebook ansehe. Doch. Wirklich gut. Dennoch verläuft dieser Abend irgendwie anders als erwartet. Wir sind doch gerade einmal quer durch die Stadt gefahren, um die kleinen Kätzchen persönlich kennenzulernen und zu sehen, wie wir uns mögen. Stattdessen sitzen wir auf zerstörten Möbeln, atmen Katzenhaare ohne die daranhängenden Katzen ein und essen Obst mit einem eigentümlichen Mann, der mit sechs Katzen in einer unangenehm riechenden Wohnung lebt, in der nie saubergemacht oder aufgeräumt wird. Außer, wenn Gäste kommen. Also wahrscheinlich immer dann, wenn er einmal im Jahr Kätzchen zu vergeben hat.

Sie können mir ja viel erzählen!

„Also bevor das mit den Katzen klappt, möchte ich mir nochmal ansehen, wie Sie wohnen“, sagt der Katzenmann jetzt. „Sie können mir ja theoretisch viel erzählen, aber ich weiß ja gar nicht, ob Sie wirklich eine katzengeeignete Wohnung mit Garten haben.“ Ich verschlucke mich fast. Wo er recht hat, hat er recht…. So katzengerecht wie seine Wohnung wird sie wahrscheinlich nicht sein – viel zu aufgeräumt, viel zu wenig Verstecke. „Sie können sich ja nicht vorstellen, wie viele Leute hier angerufen haben. Es waren mindestens 32! Und die waren alle irgendwie komisch und unsympathisch. Denen würde ich die Katzen bestimmt nicht geben. Sie sind die Ersten, die normal und sympathisch wirken.“ Oh, ich fühle mich geehrt. Ich wurde gerade als katzentauglich eingeordnet.

Der Hausherr wirkt irgendwie angespannt und kratzt sich verdächtig oft an den Armen, die die Lehnen des Sessels berührt haben. Er wird doch nicht etwa eine Allergie….??? „Tja, wir müssen dann mal wieder“, sage ich. Bis die Katzen groß genug zum Weggeben sind, vergehen ja noch ein paar Wochen – da komme ich einfach nochmal vorbei, wenn ich wieder in der Gegend bin! Und wenn wir dann einig sind, ob wir die Katzen gern haben wollen, können Sie dann ansehen, wie wir wohnen.“

Der Hausherr hat Schweißperlen auf der Stirn. Es ist aber auch heiß hier drin. Ich stehe auf und schiebe mich an dem bis oben (hoffentlich nur) mit Katzenstreu gefüllten Katzenklo vorbei und ziehe den heftig atmenden Hausherrn mit in Richtung Tür. „Danke für das Obst und bis bald!“

Als die Haustür hinter uns zuschlägt, atmen wir beide erstmal ganz tief ein und aus  rennen dann wie angestochen zu meinem smart, um irgendwo ganz in der Nähe ein Restaurant zu finden, in dem wir uns die Hände waschen können.

Ich glaube, der Hausherr ist jetzt von der Idee, sich Katzen anzuschaffen nicht mehr ganz so begeistert. Schade.